39. Etappe: 19. August 2022
Seiferts – Dreiländereck – Wasserkuppe – Gersfeld
Distanz: 20,1 km – Anstiege: 677 HM – Abstiege: 697 HM – Temperatur: 20° – 27° C
Wieder ist mein erster Blick raus aus dem Fenster. Der Himmel ist eine einzige hellgraue Masse. Die Wetter-AP sagt eine 90% Regenwahrscheinlichkeit mit Nieselregen voraus. Und wieder stülpe ich die Regenschutzhaube über meinen Rucksack. Ziehe mir auch die Softshelljacke an. Doch die ziehe ich draußen schnell wieder aus und verstaue sie mir Rucksack. Es ist noch etwas kühl, doch ich weiß, dass das Dreiländereck auf 770 Meter liegt. Es liegen noch einige Höhenmeter vor mir und sicherlich werde ich ins Schwitzen komme.
Schon nach wenigen Metern im Ort kann ich in den Wald abbiegen. Nun laufe ich neben einem kleinen Bach entlang. Über dem Grundrauschen ein Plätschern und Blubbern des in Richtung Ort abwärts fließende Wasser. Es sucht sich durch querliegende Äste und über große und kleine Steine seinen Weg. Drei kleine Holzbrücken überquere ich und mal fließt der Bach rechts und mal links neben mir und schließlich wieder rechts neben mir. Auf einer Bank am Bach mache ich eine Pause und genieße mit geschlossenen Augen das Plätschern und Blubbern. Nur gelegentliche Fahrgeräusche stören diese entspannende Ruhe. Diese Ruhe und Stimmung muss ich leider abbrechen.
Ich verlasse Wald und Bach und steige weiter aufwärts durch Wiesen und Weiden. Bei einer Schutzhütte des Rhönklubs treffe ich auf einen braun gebrannten rüstigen Rentner. Er kommt fast täglich hier hin. Früher war er auf dem Bau und und jetzt treibt es ihn immer wieder raus. Nach einer Pause auf einer der beiden Sinnenbänke verabschiede ich mich von ihm.
Der Anstieg wird inzwischen immer heftiger und führt entlang eines schmalen Pfades. Am Dreiländereck steht der historische Grenzstein. Gut erkennbar die Kürzel „KB“ für Königreich Bayern und „GSW“ für Großherzogtum Sachsen-Weimar. Zwei Jahreszahlen 1862 und 1877 sind ebenfalls gut sichtbar. Ich steige auf den Grenzstein und fotografiere meine Schuhe mit der Grenzsteinmarkierung. Wann schafft man es schon gleichzeitig in den Bundesländern Hessen, Thüringen und Bayern zu sein. Mir ist es hiermit gelungen.
Noch ein Stück weiter hoch und ich erreiche das Gipfelplateau dieses Berges mit 770 Meter. Es ist eine abgeerntete goldgelbe Wiese. Den vielen Hinterlassenschaften der vor kurzem hier weidenden Schafe kann ich nicht ausweichen. Mit Eintritt in den Waldweg beginnt ein sehr steiniger Pfad abwärts. Nochmals komme ich an zwei historischen Grenzsteinen vorbei. Das „KB“ für das Königreich Bayern führt mich entlang eines Grenzpfades und vorbei an einer Mauer aus moosbedeckten Steinen.
Inzwischen durchquere ich mehrere enge kleine Durchlässe mit meinem großen Rucksack. Nur mit etwas Drücken schaffe ich das Durchkommen. Danach bin ich auf Wirtschaftswegen unterwegs. Immer ein herrlicher Blick auf die weite Landschaft. In der Ferne vermutlich die Wasserkuppe. Nur genau wo weiß ich nicht. Dafür sehe ich im Tal den Ort Wüstensachsen. Danach müsste es wieder ansteigen.
Im Ort wird der Wanderweg hoch zur Wasserkuppe mit Holzwegweisern angezeigt. Kaum habe ich Wüstensachsen verlassen, bin ich auf einem schmalen Pfad zwischen Stacheldrahtzaun und Gestrüpp aufwärts unterwegs. Später im Wald wandere ich weiter aufwärts auf einem breiten Weg. Als ich den Wald verlasse, bietet sich mir ein atemberaubendes Panorama in eine weite bergige Landschaft. Dann plötzlich über mir ein Flugzeug dahinter im Schlepptau ein Segelflugzeug. Zu schnell, um meine Kamera herauszuholen. Vorgewarnt halte ich die Kamera in der Hand. Und ich habe Glück, wenig später kann ich mehrere Fotos mit grandioser Wolkendecke im Hintergr und den Flugzeugen schießen.
Vorbei an einen Parkplatz, der Touristeninformation und dem Segelflughafen. Nun bin ich mitten im Trubel. Bei einem Imbiss genehmige ich mir ein alkoholfreies Weißbier. Dann laufe ich weiter. An einem abgezäunten Bereich der Wetterstation des DWS und dem Ursinus Haus von 1925 komme ich vorbei. Durchlaufe ein kleines Wäldchen und sehe dann vor mir auf der Anhöhe das letzte Radom. Heute ein Wahrzeichen und Kulturdenkmal der Wasserkuppe. Die Amerikaner und später die Engländer erklärten den gesamten Gipfelbereich als Sperrbezirk. Die Abkürzung stammt von den militärischen Rundumsuch-Radargeräten. Es gab mehrere davon. Das Heutige markiert die höchste Stelle der Wasserkuppe mit 950 Meter. Später übernahm die Bundeswehr im Auftrag der NATO die dortige Luftraumüberwachung.
Inzwischen habe ich fast einen 180° Blick in grandiose Landschaft. Es ist einfach traumhaft hier oben zu stehen und bis weit in die Ferne zu schauen. Vorne goldgelbe Felder, etwas weiter entfernt weitere Erhebungen mit grünen Wäldern gemischt mit gelben Flecken, dann ganz hinten im Dunst der Horizont. Dazu der Wolkenhimmel mit kräftigen Kumuluswolken. Ich kann mich nicht genug sattsehen, muss aber weiter. Doch zunächst laufe ich noch zu dem Fliegerdenkmal. Dieses wurde 1923 zur Erinnerung der gefallenen Kampfpiloten des Ersten Weltkriegs errichtet.
Nach meinem Navi sehe ich vor mir in südwestlicher Richtung meinen Weg. Lange Zeit immer abwärts bin ich auf einem sich schlängelnden Weg durch die Felder unterwegs. Am einem Waldrand geht es auf einem steil abfallenden schmalen Pfad weiter. Der Regen hat hier mit der Zeit den Pfad ausgewaschen und nun stehen immer Wurzeln heraus. Dann endlich wird der Feldweg wieder breiter und mündet in einen asphaltieren Wirtschaftsweg. Nach dem Queren einer Straße zeigt ein rotes Schild noch 1,8 Kilometer bis Gersfeld.
Ich sehe den Ort in der Ferne, doch nähern tue mich nur im gefühlten Schneckentempo. Dann wieder ein rotes Wegweiserschild mit immer noch einem Kilometer. Inzwischen schmerzen die Fußsohlen und schreien nach: „Aufhören, aufhören..“. Erschöpft erreiche ich das Hotel. Im Zimmer ziehe ich sofort Schuhe und Strümpfe aus und lasse mich ins Bett fallen. Erst nach einiger Zeit Pause und duschen gehe ich zum Abendessen.