52. Etappe: 09. September 2022
Ober-Laudenbach – Lampertheim
Distanz: 17,1 km – Anstiege: 93 HM – Abstiege: 249 HM – Temperatur: 21° – 25° C
Heute Nacht gab es wieder Regen, doch mein erster Blick am Morgen aus dem Fenster verheißt Gutes. Blauer Himmel mit ein paar weißen Wolken. Meine heutige Route führt mich von Ober-Laudenbach ins Tal nach Laudenbach. Hier wohnt eine ehemalige Kollegin von mir. Ich werde sie und ihren Mann besuchen.
Auf dem Weg abwärts hält plötzlich ein Fahrzeug neben mir. Es ist der Zimmerwirt, er macht mir das Angebot mich mitzunehmen. Ich lehne lachend ab. Unterwegs komme ich an ein wuchtiges und interessantes Holzhaus vorbei. Das Haus ist am Hang gebaut. Der hintere Teil steht auf Betonsockel und der vordere Bereich wird durch eine mächtige Holzkonstruktion getragen. Darunter gibt es Platz für zwei Fahrzeuge. Mit Erstaunen sehe ich auf meinem Weg abwärts die Wegezeichen des Burgensteigs und des Blütenweges.
Im Ortskern komme ich an einer Skulptur eines Jakobspilgers vorbei. Scheinbar kommt durch Laudenbach auch ein Pilgerweg. Schnell habe ich nun das Haus von Ilona und ihrem Mann erreicht. In ihrem Hof sitzen wir zusammen. Ich erzähle von meiner Wanderung und wir unterhalten uns auch über die gemeinsame Vergangenheit. Es ist schön, sich wiederzusehen. Gegen halb zwölf muss ich dann wieder weiter. Ein herzliches Dankeschön, liebe Ilona und an Deinem Mann für Eure Bewirtung.
Schon kurz nach Ober-Laudenbach sehe ich aus südlicher Richtung eine dicke graue Wolkenfront auf mich zukommen. Vor mir aber sieht es noch gut aus. Nur auf kleinere weiße Wolkenberge laufe ich zu. Noch habe ich nicht die Brücke über die Autobahn A5 erreicht, doch der Höllenlärm dringt schon zu mir. Ich bin wieder froh, schnell diesem Lärm zu entfliehen. Auf einer Weide grasen schottische Hochlandrinder mit kleinen Ziegen. Die kommen meckernd auf mich zu und verfolgen mich ein Stück.
Immer wieder ist mein Augenmerk auf den Himmel gerichtet. Vor mir inzwischen blauer Himmel und in der Ferne weiße Wolkenberge. Schaue ich zurück in Richtung Berge, sehe ich nur eine dunkelgrau Himmelfront. Es scheint, als laufe ich dem nahenden Unwetter davon.
An mehreren großen Pferdekoppeln komme ich vorbei. Die Landschaft ist mit schmalen Entwässerungskanälen durchzogen. Ich biege bei einer kleinen Brücke ab und folge wieder einem Kanal. Bei dem alten Schöpfwerk Laudenbach komme ich vorbei. Danach sehe ich einen Bauern bei der Maisernte. Ein paar Personen mit Kindern verfolgen die Arbeit des Bauern. Später begegnet er mir mit seinem Traktor und zwei vollen Anhängern. Noch vor dem Ort Hüttenfeld erregt ein Plakat meine Aufmerksamkeit. Es soll ein Amphibienbiotop für die Beweidung von Wasserbüffeln eingerichtet werden.
In dem Ort Hüttenfeld suche ich eine Sitzgelegenheit und bei einem Bürogebäude gibt es einen größeren Stein und dort lasse ich mich nieder. Vor mir sehe ich einen Mann die Treppe hinunter kommen. Er kommt heraus und fragt mich, ob bei mir alles in Ordnung ist. Dies bejahe ich. Dann bietet er mir Wasser an und das Angebot nehme ich gerne an. Wenig später bekomme ich einen großen Glaskrug mit kaltem Wasser. Ich bedanke mich und er bittet mich, das Glas später auf die Briefkästen zu stellen. So eine Geste habe ich bisher nur selten auf meinen Wanderungen erfahren. Auf dieser Wanderung ist es nun das zweite Mal.
Nach Hüttenfeld überquere ich die Autobahn A67 und bin danach für längere Zeit neben einer Landstraße auf einem separaten Fuß- und Radweg unterwegs. Es fängt an zu regnen. Der Himmel verheißt nichts Gutes und so stülpe ich die Regenschutzhaube über meinen Rucksack und ziehe meine Softshelljacke an. Es bleibt bei einem leichten Regen und schließlich kann ich von der vielbefahrenen Landstraße in den Wald abbiegen. Im Wald unterwegs begleitet mich aus südlicher Richtung ein Donnergrollen. Kaum habe ich den Wald verlassen, gibt es auch dicke dunkle Wolken aus nördlicher Richtung kommend.
Für mich beginnt nun ein Wettlauf mit der Zeit, denn auch aus Richtung Lampertheim türmen sich dunkle Wolkenberge auf. Von dort höre ich ebenfalls ein paar Mal Donnergrollen. Ich durchlaufe jetzt Gemüsefelder. Mal sind es Karottenfelder und oft Schnittlauchfelder. Diese riecht man schon, bevor man das Feld erreicht. Trotz Unwettergefahr faszinieren mich diese Felder. Vor allem, als ich Rasenflächen, kurzgeschnitten in leuchtendem Grün erreiche. Hier wird Rollrasen angebaut.
Obwohl ich am Ortsschild von Lampertheim vorbeikomme, dauert es noch sehr lange, bis ich den Ortskern erreiche. Mein Verlangen nach einer kurzen Rast ist riesengroß und so mache ich auf einem Mäuerchen vor einem großen Gebäude eine Pause. Es sieht himmelwärts duster aus und kaum habe ich einen Kreisel kurz vor dem Hotel erreicht, als ein Wolkenbruch niedergeht. Fünf Meter reichen, um ordentlich nass zu werden. Im Hotel bitte ich erst einmal ins Zimmer gehen zu dürfen, bevor ich das Anmeldeformular ausfüllen. Ich bin ziemlich fertig.
Das Gute heute war, dass ich ohne Steigungen mit gleichbleibenden schnellen Schritt laufen konnte. Es waren fast nur asphaltierte Wege. Damit habe ich inzwischen keine Probleme mehr, doch ab Ortseingang von Lampertheim spürte ich deutlich meine Fußsohlen. Was mir unterwegs fehlte, waren Bänke für eine kurze Rast. Das Wetter hatte mich getrieben.
One Comment
Werner Lang
Hallo Werner,
erst im Jahresrückblick 2022 habe ich mich erinnert, dass Du „Rund um Hessen“ geplant hast. Ich habe jetzt Deine neuen Beitrag entdeckt und in einem Rutsch gelesen.
Zuerst meine Gratulation. Bei jeder Wanderung überwindest Du Deine Schmerzen und gibst nicht auf. Was für ein Vorbild für uns Wanderer. Du hast Orte kennengelernt, deren Namen ich noch nie gehört habe. Die vielfältigen Probleme, eine wegnahe Unterkunft zu finden , sind mir aus eigenener Erfahrunge bekannt.
Am liebsten lese ich Beiträge über Landschaften, die ich auch kenne. Wir haben schließlich 10 Jahre in Darmstadt gelebt. Du bist duch viele Gegenden gewandert, wo ich /wir auch waren oder gewandert sind. Als alter Römer hätte ich natürlich erwartet, dass Du Dir die Mauerreste vom Kastell Holzhausen mit den Fahnenheiligtum anschaust. Da war ich auf dem Limeswanderweg unterwegs. Bei meiner Wanderung auf dem E1 Richtung Nordkap bin ich auch in Bad Karlshafen gewesen. Meine Route ging dort von Süden nach Norden, also nach Neuhaus im Solling.
Nur wer auf Weitwanderungen unterwegs ist, kann Deine Gedanken und Gefühle nachempfinden, die ich so gut verstehe.
Ich bin dieses Jahr den Jakobsweg Rio de la Plata gewandert, den Du ja auch kennst. Allerdings nur 250 km, die „best of“. Strecken, weil es oft entlang von Straßen geht. Als Römerfan waren Merida und die alten Römerstrßen mit den Meilensteinen und alten Brücken ein nachhaltiges Erlebnis. Die endlosen Wege in de Extremadura haben mir besonderes gefallen. Da schweift der Geist ins Meditative.
Ich wünsche Dir in diesen turbulenten Zeiten vor allem Gesundheit, schöne Weihnachten und ein friedliches 2023.
Werner,