30. Etappe: 9. August 2022
Mollenfeld – Dreiländereck – Witzenhausen
Distanz: 12,6 km zu Fuß – Aufstiege: 155 HM – Abstiege: 198 HM – Temperatur: 23° – 36°
Während des Frühstücks komme ich mit einem Gast ins Gespräch. Er hat Wanderschuhe an. Hemd und Hose passen aber nicht zum Wandern. Wie er berichtet, hat er einen Termin in Hann. Münden. Er ist studierter Forstwirt und hatte in seinem Berufsleben einige Jahre eine Baumschule für Aufforstung. Jetzt ist er als Berater für die Forstwirtschaft unterwegs. Es entwickelt sich ein interessantes Gespräch über unseren Wald. Ich berichte von dem, was ich unterwegs auf meinen Wanderungen gesehen habe.
Nach dem ausgiebigen Frühstück starte ich. Es ist schon wieder warm. Von Mollenfeld bin ich schnell in den Feldern. Eine junge Frau kommt mit einem Pferd und einem frei laufenden Hund mir entgegen. Ich frage sie, wer denn hier Gassi geführt wird. Sie antwortet zu meiner Überraschung schmunzelnd: „Mein Pferd“.
Ich erreiche den Wald und es ist herrlich kühl. Für einige Zeit ist es ein Wechsel aus Wald und Feld. Im Wald stoße ich auf einen älteren und jüngeren Mann sowie einem Kind. Sie schöpfen Wasser aus einem kleinen Bach und füllen einige Kanister auf. Vor dem Anhänger mit den Kanistern ein Einachsenschlepper. Als der ältere Mann von mir erfährt, das ich aus Darmstadt komme, erzählt er mir, dass seine Frau aus Bensheim stammt. Früher hat er in Bensheim gelebt. Er schildert mir von seinen Wanderungen im Odenwald, zum Melibokus, Felsenmeer und Fürstenlager. Er erzählt mir, er kenne das ganze Gebiet, wie seine Westentasche. Nun lebt er schuldenfrei hier in der Nähe im Eigenheim. Nur Wandern geht nicht mehr. In beiden Knien und Hüften sind künstliche Gelenke. Sein Schwiegersohn hilft ihm beim Wasser holen. Im Garten kann er mit seinen 76 Jahren aber noch vieles selber machen.
Mit einiger Entfernung streife ich zwei kleine Dörfer. Bei einem der Dörfer ist die imposante Wehrkirche nicht zu übersehen. Dann auf einer Anhöhe sehe ich schon Eichenberg. Hier liegt das dritte Dreiländereck „Hessen – Niedersachsen – Thüringen“. Am Ortsrand überquere ich eine Bahnbrücke und laufe in der Nähe der Gleise entlang. Ich erreiche die Anlage der privaten Eichenberger Waldbahn. Es ist eine Schmalspurbahn. Nach meiner Planung sollte hier ein kleiner Weg zum Dreiländereck führen. Zunächst führt auch eine Einbuchtung in die richtige Richtung, doch schon wenig später hindert mich Dickicht ans Weiterlaufen. Erst abends erkenne ich, dort wo ich einen Weg vermutete, war es die eingezeichnete Grenze zwischen Hessen und Niedersachsen. Wieder zurück muss ich nun mit einem großen Bogen an einem Soloranlagenfeld und später einem Maisfeld vorbei. Dann erst erreiche ich einen Pfad in Richtung des Dreiecks. Ein Grenzstein mit Aufschrift „DDR“ zeigt mir, ich bin jetzt an der Grenze zwischen Niedersachsen und Thüringen. Noch ein Stück weiter erreiche ich den Platz mit dem historischen Grenzstein. Hier verlief die Grenze zwischen den Königreichen Preußen und Hannover sowie das Kurfürstentum Hessen. Erkennbar sind die Kürzel KH (Königreich Hannover) und KP (Königreich Preußen. Auf einer Schmalseite die Jahreszahl 1837. Nun ist es das Dreiländereck zwischen den Bundesländern. Direkt hinter dem Stein eine Hinweistafel. Ein Picknicktisch steht in der Mitte und drei blaue Bänke am Rand des Platzes.
Am Picknicktisch sitzt ein junger Mann. Er kam zunächst von der anderen Seite und wurde durch einen kleinen Bach und Stacheldraht ans Weiterkommen gehindert. Schließlich kam er wie ich über den gleichen Weg zum Länderdreieck. Im Gespräch stellen wir fest, zwei Darmstädter treffen sich hier am entlegenen Ort. Er konnte nach acht OP’s nicht mehr in seinem alten Beruf arbeiten und hat eine Umschulung als Arbeitspädagoge gerade abgeschlossen. Bis zur neuen Anstellung in Wiesbaden hat er drei Monate Urlaub. Bei seiner Umschulung kam Corona und es gab nur noch Online-Seminare. Er hat seine Wohnung aufgegeben und lebt in einem als Wohnmobil umgebauten Lieferwagen. Hat eine Vesper und einen E-Scooter. Für die Prüfungen fuhr er zur Ausbildungsstätte, ansonsten war er in Deutschland unterwegs. Für sehr wenig Geld und mit kleinem Rucksack war er vorher auch auf einer Weltreise. Er lädt mich auf einen Kaffee oder kaltem Mineralwasser zu seinem Wohnmobil ein. Am Wohnmobil sitze ich gemütlich in einem Campingstuhl und genieße das kalte Wasser. Wir tauschen uns über Reisen, notwendiges Gepäck und Arbeit aus. Die Zeit rinnt dahin. Da er nach Eschwege vorbei an Witzenhausen fahren will, bitte ich ihn, mich bis Witzenhausen mitzunehmen. Er setzt mich direkt vor meinem Hotel ab. Wir vereinbaren, dass wir uns in Darmstadt wieder treffen.
Nach dem Einchecken gehe ich in die Altstadt von Witzenhausen. Im Zentrum gibt es mehrere Baustellen. Nach Hann. Münden wirkt alles vergleichsweise klein. Neben dem Hotel gibt es eine Brauereigaststätte. Hier esse ich zu Abend. Bleibe aber bei meinem alkoholfreien Weizenbier. Bis etwa 22 Uhr höre ich die Gäste im Biergarten. Danach wird es leiser.