
22. Etappe: 26. Juli 2022
Bad Arolsen â Rhoden
Distanz: 16,1 km Aufstiege: 230 HM â Abstiege: 262 HM â Temperatur: 18° – 26° C
Mein Blick aus dem Fenster verheiĂt nichts Gutes. TrĂŒbe Aussichten! Meine Wetter-App prophezeit ab ca. 11 Uhr soll es regnen. Ich decke meinen Rucksack wieder einmal mit der RegenschutzhĂŒlle ab. Schon nach ein paar hundert Meter fĂ€ngt es an zu nieseln. Die App hat unrecht. GeschĂŒtz unter einem Baum ziehe ich auch noch meine Softshelljacke an. Als ich das Barockschloss Bad Arolsen erreichen geht der Nieselregen in einen ordentlichen Regen ĂŒber. Ich flĂŒchte auf eine unter BĂ€umen geschĂŒtzte Bank. Das Schloss war die Residenz der FĂŒrsten zu Waldeck und wird heute noch von den Nachfahren bewohnt.
Als der Regen nachlĂ€sst, wandere ich Richtung Schloss und biege kurz vorher in die SchlossstraĂe ab. Diese fĂŒhrt direkt auf die evangelische Stadtkirche zu. In der StraĂe stehen einige alte GebĂ€ude. Mitten drin ein neues GebĂ€ude, das Arolsen Archives â International Center on Nazi Persecution. Es ist ein Zentrum fĂŒr Dokumentation der nationalsozialistischen Verfolgung, NS-Zwangsarbeit und den Holocaust. Bei der Stadtkirche biege ich rechts ab und komme nach Helsen. An ein Ensemble von drei FachwerkhĂ€user laufe ich vorbei. Hier lebten ĂŒber Generationen eine Familie von Handwerker.
Nach Verlassen des Ortes bin ich auf dem hessischen Radweg R6 neben der B252 unterwegs. Auf der BundesstraĂe donnern stĂ€ndig die Lkws vorbei. GlĂŒcklicherweise entfernt sich der Radweg etwas von der StraĂe und es wird ruhiger. Dann plötzlich ĂŒberholt mich eine jĂŒngere e-Bikerin. Sie ist stark parfĂŒmiert. Obwohl schon einige Meter entfernt, muss ich der Duftspur folgen.
Schon von der Ferne erkenne ich unter einem Baum eine Bank. Dort werde ich abbiegen und die BundesstraĂe verlassen. Obwohl ĂŒber mir sich dunkle Wolken zusammen ziehen, hier muss ich endlich eine Pause machen. Danach durchwandere ich wieder Felder. Durchquere den Ort Schmillinghausen und quere die B252.
Inzwischen treibt mich eine dicke fette dunkle Regenwolke vor sich her. Ein schönen Platz mit Bank neben einem Brunnen mit mittigem Stein, aus dem das Wasser sprudelt lasse ich links liegen. Mit strammen Schritte bin ich unterwegs. Irgendwann verlÀsst mich diese dunkle Wolke und der Himmel klart auf. Ich kann wieder entspannt wandern.
Als ich an einem Trainingscamp von Diemelstadt vorbei komme, wird es ungemĂŒtlich fĂŒr mich. Es gibt eine Anreise von jungen Leuten zu diesem Camp. Leider trainieren sie schon vorher das schnelle Fahren auf dem schmalen Wirtschaftsweg.
Es klart immer mehr auf. Am Himmel nur noch dicke weiĂe Wolken mit groĂen blauen FlĂ€chen. Ich nutze mal wieder eine Bank und genieĂe liegend die herrliche Landschaft und die vorbeiziehenden Wolken.
Ich nĂ€here mich meinem Zielort Rhoden und sehe die ersten GebĂ€ude auf einem HĂŒgel. Und wie ich vermute, beginnt wieder einmal zum Schluss ein Anstieg. Im Ort mache auf einem MĂ€uerchen eine Verschnaufpause. Ein Jugendlicher spricht mich wegen meines GPS-GerĂ€tes an. Er kennt sich ein bisschen damit aus und wir fachsimpeln darĂŒber. Er wird sich gleich mit Freunden treffen und sie werden in der NĂ€he heute zelten.
Zum Essen gibt es im Ort kein Restaurant, nur eine Pizzeria. Doch die hat zu und von einem Mann erfahre ich, dass sie komplett schlieĂt und der Inhaber in Rente geht. Als letzte Rettung gibt es noch einen REWE-Markt in der NĂ€he der Pension. Die nette Ă€ltere Pensionswirtin zeigt mir die Wohnung. Ich habe ein Zimmer und ein weiterer Gast schlĂ€ft nebenan. GegenĂŒber gibt es eine KĂŒche mit Mikrowelle und KĂŒhlschrank. Das Badezimmer hat eine Badewanne. Sofort nach dem Ablegen des Rucksacks gehe ich zum Supermarkt. Ich decke mich mit Brötchen, warmen FleischkĂ€se, Eiersalat, Melone und Ananas sowie Wasser, Orangensaft und Smoothie ein. Und nach dem Abendessen genieĂe ich fĂŒr ĂŒber 30 Minuten das heiĂe Bad.
Am Abend will ich bezahlen und mir in meinem Stempelheft einen Stempel der Pension abholen. Als ich ĂŒber meine Wanderung gefragt werde und erklĂ€re, ich wandere rund um Hessen, meint er, hier ist nicht Hessen. Ich bin irritiert und frage, ob es zu NRW gehört. Er antwortet: âHier ist Waldeckâ. Ich kontere und erklĂ€re ihm, dass schon meine Vorfahren im 17. Jahrhundert von hier aus Rödenau und Battenberg kommen. Ich Westfalen bin und in Darmstadt lebe. Ein gerade ankommender Nachbar sagt: âIch bin auch Westfale und heiĂe auch so, nur ohne âeâ am Endeâ. Wir unterhalten uns ĂŒber unsere Vorfahren. Die Vorfahren des Zimmerwirts stammt aus dieser Gegend und waren ĂŒber mehrere Generationen Schmiede. Sein Vater war ebenfalls Schmied und ist in den Harz gezogen. Er aber wollte kein Schmied mehr sein. Ihn selber hat es spĂ€ter durch Zufall wieder in die Heimat seiner Vorfahren verschlagen. Dann zeigt er mir stolz seinen Garten. Er und seine Frau sind fast Selbstversorger. Hier wĂ€chst vieles an GemĂŒse und Obst.

