45. Etappe: 1. September 2022

Boxbrunn – Bullau

Distanz: 11,7 km – Anstiege: 269 HM – Abstiege: 243 HM – Temperatur: 21° – 24° C

Ich lasse mir heute Morgen viel Zeit. Die Etappe ist nicht lang. Als ich starte empfängt mich der Himmel passend zu Bayern weiß-blau. Mein Weg zu den Grenzhäuschen beginnt asphaltiert und wechselt zum Schluss im Wald in einen wurzeligen Pfad. Schon von Weitem ist Blau-weiß und Rot-weiß hinter den Bäumen sichtbar.

Ich schreite ohne Kontrolle vom gelobten Freistaat Bayern ins Bundesland Hessen! Unter dem Dach der Brücke lerne ich das Bayernlied. Leider erst im hessischen Wachhäuschen wurde das hessische Grundgesetz angeschlagen.

Auf hessischer Grenzseite biege ich in einen schmalen Waldweg ab. Nach einem steilen Abstieg wandere ich auf einem breiten Weg stetig aufwärts weiter. Immer wieder säumen große Felsbrocken diesen Weg.

Den Ort Würzberg tangiere ich und bin dann aufwärts zwischen den Feldern unterwegs. Bei einem Rastplatz mit Steinbank und -tisch steht ein aus dünnen Nadelstämmen gebautes rechteckiges Guckloch. Als Hinweis: „Selfie-View“. Vom Wirtschaftsweg biege ich wieder in den Wald. Der Weg führt nun an der Grenze zu Bayern entlang. Das war es auch schon 1842. Auf dem alten Grenzstein mit den Initialen „GH“ für Großherzogtum Hessen und auf der Rückseite mit „KB“ für Königreich Bayern sind auch die Wappen und die Jahreszahl noch gut sichtbar.

In der Nähe parkender Auto mache ich liegend auf einer Bank meine Mittagspause. Ich schlafe tief ein und werde erst durch ein zu mir fahrendes Fahrzeug geweckt. Später höre ich vom Zimmerwirt, dass er mich schlafend gesehen hat.

Ich wechsel wieder in einen naturbelassenen Waldweg und vor mir mitten auf dem Waldboden mehrere wunderschön blühende violette Pflanzen. Im ersten Moment denke ich an Orchideen. Nein, es handelt sich um drüsiges Springkraut, früher auch Bauernorchidee genannt. Wenig später beginnt ein steiler Abstieg über einen schmalen Waldpfad. Der Weg ist mit Tannennadeln bedeckt und jeder Schritt federt etwas. Es läuft sich wie auf „Wolke sieben“, wären nicht immer wieder die hervorstehenden Wurzeln.

Ein Stück vor mir sehe ich zwei gut beleibte Männer mit Wanderstöcken. Sie legen immer wieder Verschnaufpausen ein. Als ich sie erreiche, spreche ich sie an. Sie beneiden mich wegen meines Abstiegs. Der Ältere erzählt, dass sie eine Tageswanderung machen und er schon seit 40 Jahren jährlich nach Weiten-Gesäß kommt. Fügt ab sofort lachend hinzu, dass er 46 Jahre alt ist. Sein Begleiter ist vermutlich sein Sohn. Jetzt wollen sie nach Würzberg und dort erwarten sie Kaffee und Kuchen. Die Strecke noch bis Würzberg ein ambitioniertes Ziel für beide. Das denke ich, sage es aber nicht.

Der Pfad mündet in einen Grasweg und hier sieht man die hervorstehenden Wurzeln nicht. Ich passe höllisch auf, um nicht umzuknicken. Der Weg führt wieder an der hessisch-bayrischen Grenze entlang und ist zudem schon historisch. Wieder markieren zwei alte Grenzsteine den Weg an der Genze.

Der steile Abstieg endet in Bullau-Eutergrund. Meine Hoffnung nun ohne Auf- und Abstiege bis zum Ziel zu laufen, zerrinnt nach einer engen Biegung der Straße im Ort. Es geht brutal steil hoch. Erst kurz vor meiner heutigen Unterkunft endet der Anstieg. Ich bringe den Rucksack ins Zimmer und dann sitze ich im Restaurant bei einem alkoholfreien Weizenbier. Das Restaurant mit Biergarten hat nur am Wochenende geöffnet. Doch für Übernachtungsgäste gibt es auch etwas zu trinken und Abendessen.


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